Un Grand-Noir s.v.p.

14/05/2022

Un «Grand-noir», c‘est un «Grand-noir», ce n‘est pas un «Grand-noir»! Dass sich die Franzosen mit Fremdsprachen schwer tun, ist hinlänglich bekannt. Dass sie aber mit der eigenen Sprache ähnliche Probleme haben, erfahre ich immer wieder an der schönen und so international anmutenden Côte. Schmerzlich erinnere ich mich an meinen ersten Aufenthalt in Cannes. Da verkehrt die Welt, aber wer nicht perfekt jenes Französisch spricht, das die Ortsansässige Bevölkerung gewohnt ist, hat über kurz oder lang Kommunikationsprobleme.

Damals wohnten meine Frau und ich im noblen Appartement einer französischen Adeligen mitten an der berühmten Croisette. Als Frühaufsteher ging ich am ersten Morgen hinaus, schlenderte dem Strand entlang und kundschaftete die nähere Umgebung aus. Dann kaufte ich mir eine französische Zeitung und setzte mich, direkt vor unserem Appartement-Haus, in eines der vielen Restaurants. Der Boden war noch tropfnass von der morgendlichen Spühlung, die Sonne blitzte verspielt durch die riesigen Fächer der Palmen an der Croisette.

«Un café, s‘il vous plait», sagte ich dem Garçon, der neben mir mit einem weissen Tuch die Tische abwischte und Aschenbecher platzierte. Er schaute mich kurz mit einem fragenden Blick an und verschwand. Nichts geschah in Sachen Kaffee. Vielleicht hatte ich den Satz verkehrt aufgebaut? – «S‘il vous plait, monsieur, un café!», rief ich also, als besagter Kellner zwei Tischreihen weiter wieder mit Aschenbechern beschäftigt war. Der Mann lächelte mich an und verschwand im Innern des Restaurants. Nach zehn Minuten stand der Kellner plötzlich zwischen den beiden ersten Tischen der benachbarten Reihen und schaute sich den Verkehr auf der Croisette an. Ich erhob mich und schusterte mein bestes Schulfranzösisch zu einer erneuten Bestellung zusammen: «Est-ce-que je peu commander un café pour moi, monsieur?» Der Typ schaute mich an, als ob ich eben hinter den Stuhl gekotzt hätte und machte sich erneut auf in Richtung Theke. Ich wartete vergeblich auf meinen Kaffee.

Unterdessen bevölkerte sich das Trottoir vor mir immer mehr und ab und zu betraten Männer mit Zeitungen unter dem Arm das Restaurant. Ich beobachtete also genau, wie diese offensichtlich ortsansässigen Herren zu ihrem morgendlichen Kaffeegenuss kamen. «Un grand noir!», rief der Erste ins Restaurant, während er sich hinsetzte. Sekunden später schwebte «mein» Kellner mit einer Tasse heran. stellte sie dem Herrn auf den Tisch und verschwand wieder. Diese Szene wiederholte sich mehrmals. Als kleine Variante hoben einige der Gäste zu ihrer Bestellung den rechten Arm mit ausgestrecktem Zeigefinger. Schliesslich schritt ich selbstsicher zur Tat. Als der Kellner wieder in meiner Nähe war, hob ich meine rechte Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger und rief: «Un grand noir!»

Nach weiteren fünfzehn Minuten der trockenen Zeitungslektüre kam meine Frau. Sie erhob den den rechten Arm mit gestrecktem Zeigefinger und rief: «Un grand noir!» Kurz darauf erschien der Kellner, stellte die Tasse auf unser Tischchen und fragte von oben herab: «Et le monsieur, il veu rien?»

Daran hat sich in den letzten zwanzig Jahren nichts geändert. Noch immer versuche ich das Phänomen des französischen Sprachgebrauchs in direkter Anwendung in der Gastronomie zu erforschen. Bis heute allerdings ohne konkretes Ergebnis, das die allgemeine Verunsicherung vermindern könnte. In St-Aygulf bekam ich problemlos einen Kaffee, wen ich einen «Grand noir» bestellte. Ich Saint-Maxime servierte man mir als «Grand noir» einen ausgewachsenen Espresso. Bei Sénéquier in St-Tropez fragte der Kellner nach: «Un allongé ou un double?». Ich gewöhnte mich also daran, gleich zu Beginn einen «grand noir allongé» zu bestellen. Das führte aber bereits am dritten Tag in San Père zu gar nichts. «Qu‘est-ce-que vous voulez?» – «Un grand noir allongé!» – «Eh, du café, j‘ai bien compris?!» – «Oui, un allongé, s.v.p.». Nach fünf langen und bangen Minuten setzte mir der garçon des Strassencafés von San Père einen Espresso vor die Nase...

Von da an trank ich nur noch Bier, denn da hatte man nur die Wahl zwischen Heineken und Kronenbourg – beides eher nicht typisch französische Namen und daher kaum missverständlich.

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