Der lange Weg zum Abfallcontainer

14/05/2022

Die unter dem Namen «Porte du Sundgau» zusammengeschlossenen Gemeinden im Oberelsass (Haut-Rhin genannt) beschlossen eines Tages, die Abfallentsorgung neu zu organisieren, die individuellen Abfallsäcke aus dem Strassenbild verschwinden zu lassen und einheitliche Abfallcontainer einzuführen. Dies geht natürlich auch im Elsass, wie andernorts, nur über klare Bestimmungen, respektive Gesetze. Eine entsprechende Informationsbroschüre flatterte also auf den Jahreswechsel in die Briefkästen.

Die Neuerung mit den einheitlichen Containern – in noblem Anthrazit gehalten – wurde allseits sehr begrüsst, die entsprechend fällige Gebühr von Jedermann unverzüglich per Scheck bezahlt, weil die definitive Einführung der Neuerungen und somit die Abschaffung der Kehrichtsäcke bereits auf den 1. Februar des neuen Jahres angesetzt worden war. Man hatte, je nach Anzahl Familienmitglieder, die Wahl zwischen vier Grössen. Wir gaben auf dem Bestellformular auch den Hund als Familienmitglied an. Gespannt warteten wir also im Januar auf die Ankunft der neuen Kehrichtcontainer.

Als die Verteilaktion im Quartier ansetzte, freuten wir uns wie kleine Kinder vor Weihnachten. Ein junger Elsässer war in den Quartierstrassen mit einem Kleintransporter, der ausser Rost auch noch vier Räder und einen Aussenrückspiegel aufwies, unterwegs von Haus zu Haus. Nur bei uns fuhr er bei jeder seiner täglichen Runden vorbei, ohne einen Container zu deponieren. Meine Frau rief also bei «Porte du Sundgau» an und erkundigte sich nach dem Verbleib unseres Kübels. «Das dauert schon noch ein paar Tage», teilte man ihr mit, «wir verteilen zuerst die kleinen Kübel und dann erst die Spezialgrössen. Machen sie sich keine Sorgen!»

Eine Woche – und vier Verteilfahrten – später rief meine Frau erneut wegen dem Container an. «Ja, Madame, sie haben die Gebühr noch nicht bezahlt», sagte diesmal die Dame vom «Porte du Sundgau». «Das stimmt doch nicht, ich habe den Scheck sofort eingeschickt!», erwiderte meine Frau leicht gereizt. Schliesslich stellte sich heraus, dass der Scheck an der falschen Adresse gelandet war. «Schicken sie uns bitte einen neuen, wir werden den andern in einigen Wochen retournieren!» Meine Frau tat, wie ihr geheissen, aber auf den nächsten drei Fahrten hielt der junge Containerverteiler trotzdem nie bei uns. Meine Frau schritt darauf zur zweiten Strategie. Sie hielt den jungen Mann in seiner Rostkarre kurzerhand an. «Wann bitte bringen sie unseren Kübel?!», fragte sie ihn. Der junge Mann, leicht eingeschüchtert ob der unverhofften Frauenpower, schaute in seine ellenlange Liste. «Ja, sie sind drauf, aber ich darf nicht liefern, steht da». «WAS BITTE HEISST, SIE DÜRFEN NICHT LIEFERN?!», fuhr ihn meine Frau an, «ICH WILL JETZT MEINEN NEUEN KÜBEL!» Der Elsässer liess sich nicht verunsichern. Auch das in Aussicht gestellte Sondertrinkgeld liess ihn nicht erweichen. Er schliesse seine Verteilaktion zwar an diesem Tag ab, aber er wolle sich persönlich um unseren Kübel kümmern. Er melde sich.

Nichts geschah. Wir waren die Einzigen im Quartier, die noch Kehrichtsäcke vor das Haus stellten, und wir fürchteten jeden Montag, dass diese liegenbleiben könnten. Bei einem weiteren Telefonat erfuhr meine Frau schliesslich, dass der Scheck angekommen sei und dass der Container am folgenden Montag geliefert werde. «Schatz, freu‘ dich, nun bekommst du deinen neuen Kübel!», sagte meine Frau.

Der (kommende) Montag verstrich zweimal ohne Lieferung eines schwarzen Containers. Erneuter Anruf bei «Porte du Sundgau»: «Welchen Montag in welchem Jahr meinten sie?», fragte meine Frau die Sundgauerin am Telefon. Die Dame entschuldigte sich und erklärte, dass der junge Mann, der die Container verteilte, exakt mit unserem Kübel im Fahrzeug einen Unfall gebaut habe und nun arbeitsunfähig sei. «Sie können ihren Container aber gerne bei uns abholen», fügte sie der Story an. Darauf fuhr ich unverzüglich nach Attenschwiller, wo sich das Büro von «Porte du Sundgau» befand. Ich betrat das Büro und trug meinen Wunsch, unseren Kübel abzuholen, vor. Der Mann am Computer schaute mich verdutzt an, fragte nach meiner Adresse, zog seine Schultern hoch und schaute mich über seine Lesebrille hinweg an: «Monsieur, sie hätten sich doch nicht hierher bemühen müssen, wir liefern die Kübel doch aus!»

Nun haben wir unseren Abfallcontainer – und der Mann mit der Lesebrille wird wohl in drei, vier Tagen wieder feste Nahrung zu sich nehmen können...

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