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Die «Tarte Tatin»
Die «Tarte Tatin»

Es gibt eine ganz spezielle Kuchenart, die man in Frankreich sehr gerne isst, aber, infolge der speziellen Zubereitungsart, weniger gerne selber backt. Einige wenige französische Hausfrauen und einige Köche schaffen es, regelmässig – oder gar auf Bestellung – eine «Tarte Tatin» aus dem Backofen zu zaubern.

Im Restaurant «Mazagran» in Saint-Tropez servierte man über Jahre hinweg tagtäglich eine der besten «Tarte Tatin» – vollendet durch einen Schlag kühler Crème fraiche. Ein Genuss, für den allein sich die Reise nach Saint-Tropez lohnte. Stammgäste und Kenner reservierten sich im «Mazagran» jeweils ihr Stück «Tarte Tatin» bereits, bevor sie das Essen bestellten.

Der ehemalige Koch des Restaurant «Le Moulin Bas» in Ligsdorf – das übrigens im Moment für einen «Spottpreis» zu kaufen wäre – reagierte einmal auf das Stichwort «Tarte Tatin» mit verzücktem Augenaufschlag und dem Ausruf: «Ah, ein Kenner, ein wahrer Gourmet, in unserem Hause!». Er versprach, eine Woche darauf eine «Tarte Tatin» zu servieren, die jene des «Masagrand» in den Schatten stellen würde.

An besagtem Termin erschien ich, wie vereinbart, voller Vorfreude und mit meiner Frau im «Le Moulin Bas» und der Koch empfing uns mit stolz geschwellter Brust. – Nach einem ausgiebigen Apéro und gut 30 Minuten ungeduldiger Wartezeit kam der Gastwirt persönlich an unseren Tisch. Er entschuldigte sich weit ausholend für seinen Küchenchef, dessen «Tarte Tatin» im Ofen praktisch verkohlt war. Er sei untröstlich, denn so etwas sei ihm noch nie passiert. «Aber, sie wissen ja», fügte der Gastwirt hinzu, «die Zubereitung dieser Spezialität ist etwas heikel...»

Zum Glück gibt es in Frankreich noch Personen, die in Sachen «Tarte Tatin» jene Sicherheit in der Zubereitung garantieren, dass man sich uneingeschränkt auf den kulinaischen Genuss freuen kann. Eine solche Person ist unser alter Freund Simon. Sagt meine Frau. Weil sich dieser Simon aber die meiste Zeit des Jahres in den fernen Vogesen auf einem fast unzugänglichen Hügel in seinem eigenhändig wohnbar gemachten ehemaligen Kuhstall aufhält, war die Beweisführung bezüglich «Tarte Tatin» bisher mit gewissen geografischen Schwierigkeiten verbunden. Ich pflege mich nämlich seit Jahren nicht mehr länger als zehn Minuten in Gebieten aufzuhalten, wo mein Mac keine Wireless-Verbindung finden kann. Und betreffend der Vogesen konnte man mir bis vor Kurzem nicht einmal hundertprozentig versichern, dass dort elektrischer Strom zur Verfügung steht...

Nun denn, wir verbrachten die Ostertage bei Simon in den Vogesen. Und da wollte er die Gelegenheit nutzen und seine Kochkunst-Darbietung mit einer «Tarte Tatin» vollenden. Von der Vor- und Zubereitung dieses «gestürzten Apfelkuchens», wie er übersetzt heisst, merkten wir nichts. Erst als uns beissender Rauch in den Nasen reizte, fragten wir nach dem Grund. «Simon macht eine Tarte Tatin», erklärte Monique, seine Angetraute, und zog Vorfreude verheissend ihre dunklen Augenbrauen in die Höhe. Wir nahmen die Information gelassen, innerlich aber hocherfreut über den bevorstehenden Genuss, entgegen und plauderten in der Runde weiter. «Du Monique, da ist aber etwas viel Rauch in der Küche», bemerkte ich vorsichtig, «meinst du, dein Mann hat die Torte im Griff?» – «Keine Bange, das raucht immer, wenn Simon eine Tarte Tatin macht!» Ich war vorerst beruhigt. Als ich aber beinahe nicht mehr bis zur Küche sah vor lauter Rauch, wagte ich einen erneuten Vorstoss: «Du, meinst du, das wird noch was mit der Tarte Tatin? Es scheint mir etwas ungewöhnlich stark zu rauchen». Monique winkte erneut ab: «Nein, kein Problem, das gehört dazu, das ist schon normal.»

Keiner von uns aber sah – infolge starker Rauchentwicklung – zu jenem Moment, dass Simon bereits vor dem Backofen kniete und verzweifelt und unter Aufzählung der schlimmsten Schimpfwörter, die der elsässische Dialekt für Ausnahmesituationen bereit hält, versuchte, die Ofenklappe zu öffnen. Lauthals fluchend zog er schliesslich den Stecker aus der Dose und die Lichter am Backofen erloschen. Der Rauch blieb. Simon öffnete die Ofenklappe, griff mit beiden Händen hinein und sagte: «So etwas ist mir noch nie passiert!» Auf dem Blech, das er aus dem verrauchten Ofen zog, präsentierte sich eine tiefschwarze Masse. Simon hatte die wunderbar vorbereitete «Tarte Tatin» wie gewohnt in den Ofen geschoben und hatte dann das Programm auf «Pyrolyse» gestellt. In den nächsten Wochen wird sich Simon am Stammtisch im Dorf einige neue Bei- und Übernamen gefallen lassen müssen. Die Palette reicht von «Privat-Keramtorium» über «Kuchen-Terminator» bis zu «Turbobäcker»...
Ähnlichkeiten mit tatsächlich lebenden Personen sind beabsichtigt...